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Zum Tod von Leo Kaiser


Zum Tod von Leo Kaiser


Leo Kaiser wurde am 3. Dezember 1931 in Bamberg geboren. Früh fand er Zugang zum katholischen Glauben, der ihm zeitlebens wichtig war. Die Tätigkeit und das Charisma des Diözesanjugendseelsorgers Jupp Schneider (1901–1975) faszinierte gerade in den Jahren nach dem Nationalsozialismus viele Jugendliche und junge Erwachsene. Einer davon war Leo Kaiser, der in dieser Zeit in die neu entstandene Christlich Soziale Union (CSU) fand, die als überkonfessionelle Partei im Unterschied zu den bisherigen katholischen Interessenvertretungen begründet wurde. In Bamberg fand sie eines ihrer Gravitationszentren mit Exponenten wie Lorenz Krapp, Hans Ehard, Anton Hergenröder, Prälat Georg Meixner und vielen anderen.


Für Leo Kaiser schien das Wort „Frage nicht, was die Gemeinschaft für Dich, sondern was Du für die Gemeinschaft tun kannst“, geradezu geschaffen worden zu sein. Viele Jahre lang war er in unterschiedlichen Positionen für die Pfarrei Maria Hilf tätig, darunter in verantwortlicher Position als Mitglied der Kirchenverwaltung, weil u. a. sein Wissen in Bauangelegenheit immer wieder gefragt war. So war er eine der maßgeblichen Personen für den Ausbau „seiner“ Wunderburger Pfarrei in Richtung Osten mit der neben St. Wolfgang zweiten Filialkirche St. Anna und ihrem Kindergarten Mitte der 1970er Jahre.


Gleiches galt aber auch auf kommunalpolitischem Gebiet als Mitglied der CSU und für sein langjähriges Engagement für seine Heimatstadt Bamberg als Mitglied des Stadtrats für die CSU von 1977 bis 1996. Ein ganz besonderes Anliegen war ihm die Arbeit im Bürgerverein Wunderburg als Mitglied des Vorstands und schließlich über viele Jahr hinweg als Vereinsvorsitzender. Der Bürgerverein verlieh ihm folgerichtig nach der Übergabe seines Amtes an seinen Nachfolger Dieter Gramß die Auszeichnung des Ehrenvorsitzenden für seine Verdienste.


Sein Heimatstadtteil, die Wunderburg, war Leo Kaiser stets ein Herzensanliegen. Dabei kam auch die Geselligkeit nie zu kurz. Heimat ist dort, wo man sich kennt und beim Namen nennt – dies könnte man beinahe als Motto für Leo Kaiser sehen. Dabei spielte es keine Rolle, ob es um die Verbesserung der Lebensverhältnisse im Stadtteil ging oder darüber hinaus um die Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen und Gruppierungen und vor allem um die Kultur und Heimatpflege. Leo Kaiser war immer mit Interesse und Engagement dabei. Stets aber hatte er auch die Offenheit und den Weitblick in Verbundenheit mit anderen, die in der Sache mit ihm eng verbunden waren, über Parteigrenzen hinweg für die Wunderburg das Beste zu ermöglichen. Dies galt besonders für die Zusammenarbeit mit dem vor kurzem verstorbenen Max Reichelt, der den Beinamen „Herzog der Wunderburg“ erhielt und zusammen mit Kaiser eine aber nur dem Namen nach monarchische Doppelspitze des Stadtteils über Parteigrenzen hinweg bildete.


Die Kultur im Stadtteil hatte Kaiser steht im Blick. Dies galt zunächst einmal für die Wunderburger Kirchweih, die sich zur zweitgrößten, aber stets gemütlichen Attraktion mit wiederbelegten Bräuchen wie dem Hahnenschlag im Reigen der Bamberger Sommerveranstaltungen entwickelte. Rein optisch bezog sich diese Zielsetzung aber auch auf die Aufwertung des Stadtteils mit einer Fußgängerzone rund um die Pfarrkirche. Hier gab es mit der Aufstellung des Brunnens vor der Pfarrkirche einen sichtbaren Höhepunkt. Die Kirchturmbeleuchtung stellt bis heute einen weiteren sichtbaren Akzent dar.


Nach der Wende von 1989/90 erhielten die Ausflugsfahrten des Bürgervereins eine neue Dimension. Leo Kaiser verstand es, gerade auch der jüngeren Generation mit Fahrten in die neuen Bundesländer zu den großen kulturellen Zentren in Naumburg, Dresden, Leipzig, Berlin, aber auch zu vermeintlich nicht so bedeutenden Orten die Augen für die Faszination der lange hinter dem Eisernen Vorhang verborgenen Städte und Landschaften zu öffnen.


Mit der alljährlichen großen Fahrt geht es darum, wie er selbst es formulierte, „Land und Leute“ kennenzulernen. Dies galt für die engere und weitere Heimat ebenso wie für Fahrten ins benachbarte Ausland. Stets aber war bei aller Geselligkeit einer solchen Fahrt jenseits des kulturellen Besichtigungsprogramms ein historisch-politischer Bildungsanspruch verbunden. So standen mit der Besichtigung der Länderparlamente in München, Dresden und Magdeburg, dem Bundestag in Berlin oder dem Europa-Parlament in Straßburg oder der Staatskanzleien in München und Dresden stets Zentren der politischen Willensbildung bzw. der Umsetzung politischer Vorgaben auf dem Programm. Direkte Kontakte mit Kommunalpolitikern vor Ort vermittelten Einblicke in die jeweiligen Lebensverhältnisse vor Ort.


2008 erhielt Leo Kaiser für seine jahrzehntelange Tätigkeit das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für Verdienste im Ehrenamt. Es folgte 2014 die Stadtmedaille.


Dabei war stets die Rückkoppelung mit der eigenen Kommune und dem Stadtteil ein wesentlicher Punkt der im wahrsten Sinne des Wortes aktiven Heimatpflege durch Leo Kaiser. Diesem Ziel diente auch der erwähnte Brunnen vor der Pfarrkirche mit den Darstellungen aus der Wunderburger Geschichte sowie die Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des Bürgervereins und die Veröffentlichung eines Buches zur Stadtteilgeschichte der Wunderburg in den Jahren 2005/06.


Die Besinnung auf die eigene Geschichte sowie die Kommunikation miteinander, das Gespräch am Brunnen, in den Biergärten der Brauereien oder über den Gartenzaun hinweg mit den Nachbarn waren für Leo Kaiser stets wesentliche Voraussetzungen für Heimat und Identität und damit wiederum für das Engagement zu ihrer Gestaltung. Dieser Idee folgt der Bürgerverein Wunderburg auch weiterhin, zwar angepasst an die jeweiligen Erfordernisse der Zeit, aber eben auch in dem Bewusstsein, dass in diesem Sinne die Arbeit von Leo Kaiser Erbe und Auftrag zugleich bleiben wird. Am vergangenen Donnerstag, dem 17. Oktober, verstarb Leo Kaiser im Kreise seiner Familie in seiner erst vor kurzem bezogenen neuen Wahlheimat Isny im Allgäu.


Horst Gehringer

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